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Die sechs Schwerpunkte

Ernährung

Die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft in der Ernährung können primär durch die Wahl ressourcenschonender Lebensmittel (vegetarisch, saisonal, lokal) und durch die Reduktion von Food Waste erreicht werden.

Hintergrund

Zentrale Bedeutung der Ernährung

Für die Erreichung der Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft hat auch die Ernährung eine grosse Bedeutung. Denn sie verursacht einen Drittel der Umweltbelastung und rund einen Fünftel der Treibhausgasemissionen der in der Stadt Zürich konsumierten Güter (Stadt Zürich, 2019). Bezüglich der Treibhausgasemissionen sind der Konsum von Fleisch und Fisch sowie Milch und Eier von besonderer Relevanz, gefolgt von Fetten sowie Getreide (Grundlagen und Veränderungspotenziale FP-1.1).

Ernährungsstrategie der Stadt Zürich

Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich sprachen sich am 26. November 2017 für die Förderung einer nachhaltigen Ernährung aus. Mit der entsprechenden Anpassung der Gemeindeordnung wird die Stadt Zürich zur «Förderung der umweltschonenden Ernährung und der Information über den Einfluss der Ernährung auf das globale Klima» verpflichtet. Zur Erfüllung dieses Auftrags erarbeitete die Stadt eine Ernährungsstrategie (Stadt Zürich, 2019). Diese formuliert Ziele, Handlungsfelder und konkrete Schritte zur Förderung einer nachhaltigen Ernährung. Damit will die Stadt Zürich auch einen Beitrag an die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft und die städtische Umweltpolitik leisten.

Fokus Energieforschung Stadt Zürich

Energieforschung Stadt Zürich führte zum Thema Ernährung zwei Feldversuche mit Personalrestaurants und Alterszentren durch:

  • In einem ersten Projekt wurde ein Wettbewerb mit Beteiligung von sechs Personalrestaurants zur Reduktion der CO2-Emissionen der konsumierten Menüs durchgeführt.
  • Darauf aufbauend wurden in einem zweiten Projekt mit Fokus auf Alterszentren und Personalrestaurants eine Datenbank mit gesunden, umweltfreundlichen und beliebten Menüs erstellt und Interventionen zur Unterstützung der Wahl von umweltfreudnlicheren Menüs in Feldversuchen getestet.
Haupterkenntnisse

Haupterkenntnisse Ernährung

Allgemeine Erkenntnisse

Die Auswertung von wissenschaftlichen Grundlagen zeigt, dass Massnahmen zur Veränderung der Nahrungsmittelwahl den sozialen Kontext und Gesundheitsaspekte berücksichtigen müssen. Wichtige Voraussetzungen für eine Veränderung der Nahrungsmittelwahl sind die Verfügbarkeit alternativer Nahrungsmittel und Preise, die den Budgetrahmen der Zielgruppen nicht sprengen. Massnahmen, die auf Umweltargumente setzen, sollten darüber informieren, welche Verhaltensänderungen den stärksten Reduktionseffekt haben. Insbesondere aufzuzeigen sind die ökologischen Konsequenzen des Fleischkonsums im Vergleich zu anderen Essensgewohnheiten. Schliesslich sollten Massnahmen zur Reduktion der Menge an weggeworfenen Lebensmitteln darauf abzielen, dass Personen die Organisation ihrer Einkäufe optimieren.

Zur Reduktion der Umweltbelastungen und der Treibhausgasemissionen der Ernährung in städtischen Verpflegungsbetrieben erachten wir Nudging-Massnahmen als vielversprechend. Die Wirksamkeit folgender Nudging-Massnahmen an Selbstbedienungs-Buffets ist grundsätzlich empirisch bestätigt:

  • Zusammensetzung des Angebots – zum Beispiel eine Verminderung der Fleischauswahl.
  • Anordnung der Speisen – wer sich zuerst an den Beilagen bedient, wählt danach weniger Fleisch.
  • Kleinere Teller – und gleichzeitig die Möglichkeit, Nachschlag zu holen.
  • Zudem werden in Restaurants vereinzelt Labels für vergleichsweise ressourcenschonende Gerichte umgesetzt.

Erkenntnisse der Feldversuche in städtischen Verpflegungsbetrieben

Ein mit Beteiligung von sechs Personalrestaurants durchgeführter Wettbewerb zeigte, dass die CO2-Emissionen in der Personalverpflegung auf freiwilliger Basis innert kurzer Frist massgeblich reduziert werden können (Personalrestaurant-Wettbewerb mit Nachmessung FP-1.15). Gemäss einer Nachmessung blieb ein Teil der Wirkungen auch nach Abschluss des Wettbewerbs erhalten:

  • Durch den Personalrestaurant-Wettbewerb konnten die CO2-Werte der konsumierten Menüs im Durchschnitt um 19% reduziert werden, im Siegerrestaurant sogar um 42%.
  • Auch nach dem Wettbewerb hielten die Wirkungen ohne weitere Unterstützung an: In der Nachmessung konnte gegenüber der Baseline eine Reduktion von durchschnittlich 9% nachgewiesen werden – von minus 12.5% direkt nach dem Wettbewerb bis minus 5% nach einem halben Jahr. Gemäss einer Hochrechnung wurden während des Wettbewerbs 9 Tonnen CO2 und in den folgenden gut sieben Monaten mehr als 17 Tonnen CO2 eingespart.

Reduktion der CO2-Werte der konsumierten Menüs beim Gewinner-Restaurant (Personalrestaurant-Wettbewerb mit Nachmessung FP-1.15).

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Erkenntnisse des Feldversuchs

Wettbewerb in Kombination mit einem kooperativen Vorgehen

Der Wettbewerb in Kombination mit einem kooperativen Vorgehen (Verfolgung eines gemeinsamen Ziels, Austausch zwischen den Betrieben) motiviert die Betriebe zur Umsetzung von Massnahmen und stösst bei den Gästen auf Wohlwollen. Eine externe Unterstützung und ein glaubwürdiges Monitoring der CO2-Reduktion zählen ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren.

Kombination von Massnahmen auf Seite des Angebots und auf Seite der Nachfrage

Die Betriebe sollten Massnahmen auf der Seite des Angebots wie auch auf der Seite der Nachfrage kombinieren. Im Hinblick auf möglichst hohe CO2-Reduktionen sollten Betriebe eine Balance zwischen Klimafreundlichkeit und Beliebtheit der Menüs anstreben. Veränderungen des Angebots – zum Beispiel in Form von CO2-ärmeren Fleischsorten oder pflanzlichen statt tierischen Fetten – sind zur Reduktion der mit den Menüs verbundenen CO2-Emissionen besonders wirksam.

Abstimmung der Strategie auf die Personalrestaurants und ihre Gäste

Massnahmen wie Flyer mit Menü-Quiz, Hinweise auf dem Menüzettel, Anordnung der Speisen in der Menü-Ausgabe, Gewinnspiele und Belohnungen, Empfehlungen bei der Menüausgabe und weitere erhöhen die Nachfrage nach nachhaltigen Menüs und unterstützen grössere Angebotsanpassungen. Die optimale Strategie ist jeweils auf die Voraussetzungen und Kompetenzen der Personalrestaurants sowie die Bereitschaft der Gäste abzustimmen.

Hohe Zufriedenheit

Die Zufriedenheit mit den Personalrestaurants konnte durch den Wettbewerb erhöht werden. Der Einfluss des Wettbewerbs auf den Alltag der Gäste zu Hause war jedoch gering.

Datenbank mit umweltfreundlichen, ernährungsphysiologisch optimierten und vergleichsweise beliebten Menüs

In einem auf diesen Ergebnissen aufbauendem zweiten Projekt (Energie- und klimabewusste Ernährung in städtischen Verpflegungsbetrieben FP-1.23) wurden Menü-Sets für Personalrestaurant und Alterszentren erarbeitet, die umweltfreundlich, ernährungsphysiologisch optimiert und vergleichsweise beliebt sind. Die Menüs liegen in zwei verschiedenen Datenbanken (in Excel) vor. Das Menü-Set für Personalrestaurants enthält 149 Menüs, jenes für Alterszentren 155 Menüs. Die Datensätze (inkl. Rezepte) wurden in die vorherrschende Gastronomie-Software-Lösung integriert. Entsprechend haben die Küchenverantwortlichen Zugang zu diesen Menüs und können sie in ihre Angebotsplanung einbauen. Im Vergleich zum Basis-Menü-Set (rund 500 Menüs) führen die Menü-Auswahl und -Optimierungen zu einer Reduktion der durchschnittlichen Gesamtumweltbelastung von 52 Prozent und des Treibhausgaspotenzials von 28 Prozent.

Interventionen zur Steigerung des Absatzes umweltfreundlicher Menüs

Die in den Personalrestaurants und Alterszentren getesteten Interventionen zur Steigerung des Absatzes umweltfreundlicher Menüs wurden von den Bewohnenden gut aufgenommen. Die Einführung eines Menüplans, der sich von den klassischen Menülinien 1 (Fleisch) und 2 (vegetarisch) löst und durch einen zufälligen Wechsel den Menüinhalt in den Fokus rückt, führte bei den entsprechenden Testbestrieben (je ein Personalrestaurant und Alterszentrum) zu einer Steigerung des Anteils abgesetzter vegetarischer Gerichte (vgl. folgende Abbildung für das Alterszentrum). Zudem erwies sich der «Menüwechsel» als einfach umsetzbar und gut akzeptierte Intervention.

Veränderung der Menüwahl aufgrund der Intervention «Menüwechsel» in einem Alterszentrum. Wo = Woche. Die Abbildung zeigt 9 Wochen, in den Wochen 3-8 (WoInt) wurde die Intervention durchgeführt (Energie- und klimabewusste Ernährung in städtischen Verpflegungsbetrieben FP-1.23).

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Erfahrungen mit verschiedenen Interventionen

Obwohl sich bei den weiteren getesteten Interventionen keine Wirkungen auf die Menüwahl nachweisen liessen, können sie gemäss den Autoren/innen mit geringen Anpassungen ebenfalls erfolgsversprechend eingesetzt werden:

  • Bei der «Menükennzeichnung» nach Umweltbelastung (Personalrestaurant) war ein leichter Anstieg bei den verkauften vegetarischen Menüs zu verzeichnen. Der Zusammenhang zur Intervention konnte jedoch nicht zuverlässig nachgewiesen werden.
  • Die «Probiererli» (Alterszentrum) funktionierten vor allem zu Beginn gut.
  • Der «Wettbewerb» (Alterszentrum), bei dem die Wahl des umweltfreundlichen Menus belohnt wurde, führte insbesondere dazu, dass sich die Bewohnenden und das Küchenpersonal mit dem Thema Umwelt und Ernährung beschäftigten.
  • Demgegenüber erwies sich die «Stempelkarte» (Personalrestaurant) im Versuch als nicht wirksam. Im Urteil der Autoren/innen könnte diese Intervention jedoch durch die Nutzung digitaler Umsetzungsmöglichkeiten (z.B. «Gamification» oder «Digital Nudging») durchaus erfolgsversprechend sein.

Erfolgsfaktoren

Die Feldversuche zeigten, dass eine gute Beziehung und Kommunikation zwischen dem Küchenpersonal und den Bewohnenden wichtig sind, um Veränderungen anzustossen. Zudem sollten Interventionen immer fallspezifisch und kontextabhängig betrachtet und damit auf die entsprechenden Ziele, Zielgruppen und Situationen abgestimmt werden. Gemäss den Autoren/innen liegt auch in der Angebotsgestaltung ein grosser Hebel. Insbesondere sollen «leckere» und ausgewogene vegetarische Gerichte angeboten werden, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen abgestimmt sind und im Menüplan clever mit anderen Menüs kombiniert (z.B. vergleichsweise unbeliebten Fleischmenüs) werden. Einheitliche, motivierende Zielvorgaben für die Küchenverantwortlichen, ein Aufbau von Kompetenzen (wo nötig) und ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch werden ebenfalls als wichtige Erfolgsfaktoren erachtet.

Empfehlungen

Empfehlungen: Ernährung

Aus den Feldversuchen in städtischen Verpflegungsbetrieben ergaben sich folgende Empfehlungen:

Empfehlungen: Ernährung

Eine Kombination von Massnahmen beim Angebot und bei der Nachfrage reduziert den CO2-Fussabdruck der Ernährung besonders gut.

Das Potenzial zur Reduktion der CO2-Emissionen in der Personalverpflegung ist gross. Es lässt sich durch sich ergänzende Massnahmen ausschöpfen: Erstens sollten die Betriebe ambitionierte Ziele setzen, ihre Kompetenzen bei Bedarf erhöhen und die Kooperation der Mitarbeiter/innen fördern. Zweitens sollten sie das Menüangebot bezüglich ihrer Umweltwirkung und Beliebtheit optimieren. Dabei könnten sie sich insbesondere an den erarbeiteten Sets an umweltfreundlichen, gesunden und vergleichsweise beliebten Menüs für Personalrestaurants und Alterszentren orientieren. Drittens sollten sie die Nachfrage nach umweltfreundlichen Menüs gezielt erhöhen, beispielsweise durch geeignete Kennzeichnungen der Menüs (z.B. «Menüwechsel», Kennzeichnung nach Umweltbelastung), Kommunikation (z.B. persönliche Empfehlungen) oder spielerische Anreize (z.B. Wettbewerbe) erhöhen. Viertens sollten sie die Wirkungen regelmässig messen und Verbesserungsmöglichkeiten entwickeln und umsetzen.

Verpflegungsbetriebe in deren Bemühungen zur Reduktion der CO2-Emissionen gezielt unterstützen.

Die Betriebe sollten befähigt werden, die erforderlichen Massnahmen möglichst selbständig umzusetzen. Das Beispiel der Stadt Zürich zeigt, dass die Betriebe unterstützt werden können mittels Massnahmen wie der Entwicklung von einheitlichen, betriebsformspezifischen und verbindlichen Zielvorgaben, dem Testen von verbesserten und vereinfachten Messmethoden, der Zurverfügungstellung einer benutzerfreundlichen Datenbank mit umweltfreundlichen, gesunden und beliebten Menüs, mit Beratungs- und Schulungsangeboten sowie mit Plattformen für den Erfahrungsaustausch unter den Betrieben. Diese Angebote sind teilweise bereits in der Ernährungsstrategie der Stadt Zürich vorgesehen oder lassen sich in die Strategie integrieren.